Sonntag, 10. September 2017

Deutscher Buchpreis Longlist Das Leseprobenheft Teil 4

Würde ich weiterlesen?
1: nach einer Seite
2: nach der Leseprobe im Heft
hier: Teil 1(Bonné, Falkner, Franzobel), Teil 2 (Helfer, Höthker, Lehr)Teil 3 (Lüscher, Menasse, Müller-Wieland)

JAKOB NOLTE  Schreckliche Gewalten

1:ja 
2:ja

Disclosure: In dem Fall habe ich tatsächlich sowohl nach einer als auch nach fünf Seiten weitergelesen, und dann auch gleich das Buch zu Ende. Da probiert einer mal was völlig anderes. Der erste junge Hund hier unter den ganzen alten Hasen und Häsinnen.
Es geht um die Lebensgeschichte der Zwillinge Iselin und Edvard, deren Mutter sich in einen Werwolf verwandelt und den Vater zerfleischt. Später stellt sich heraus, dass die Kinder selbst, genau wie sie befürchten- Achtung Spoiler!:  Shapeshifter sind.
Die Schwester wird Mitglied einer russischen Pussy Riot artigen Gruppe, der Bruder lebt später in einem Hyänenrudel. Nicht so ganz das übliche Milieu, in dem deutsche E-Literatur sich bewegt. Bei den Amerikanern gibts natürlich eine solide Lineage an Trash Romanen und Filmen in dieser Richtung. Es erinnert (und will - ehrgeizig- erinnern :-)) z.b.an die frühen Stories von David Foster Wallace, die Filme von Cronenberg, in letzter Zeit an die Geschichten von George Saunders. In Ö an die Geschichten von Clemens Setz. Und, na klar, an die vielen verschiedenartigen Shapeshifter in "True blood".
Stil: kann man auf zwei Arten lesen. Als Sprache, mit der da ein ziemlich angeberisches, komisches, speerspitzig junges Talent auf die Kacke haut, dass es nur so spritzt und doch immer cool bleibt. Oder als hochinteressanten Versuch die innere Konstruktion der Protagonisten in der Sprache abzubilden- also die Dinge so zu erzählen, wie Wesen sie erleben würden, die so intelligent sind wie Menschen, aber von der Gefühlskonstruktion den Tieren entsprechen, in die sie sich eventuell verwandeln. dh: amoralisch sind, aber loyal den Familienmitgliedern gegenüber. Alles, was mit Sex und Konkurrenz und Status und Familenbanden zu tun hat, ebenso leidenschaftlich verfolgen wie Menschen es tun - nur "romantisch glotzen" können sie schon von ihrer Konstitution her nicht.

Hochinteressante Etüde. Lustig auch. Und am Ende- im Hyänenrudel- dann auch noch unerwartet rührend.  Leseempfehlung. Für das Ganze.

Wünsche ich mir auf der Shortlist.

MARION POSCHMANN  Die Kieferninseln 

1: ja
2: nein

1: Ein Mann träumt, seine Frau hätte ihn betrogen. Glaubt felsenfest, dass der Traum ihm die Wahrheit gezeigt hat, stellt seine Frau zur Rede und verlässt sie. Sehr schöne Sprache, rhythmisierte Dialoge, die Sprache zieht einen weiter.

2: Die Sprache bleibt schön und ungewöhnlich. Trotzdem interessiert mich die Sache nach ein paar Seiten einfach nicht mehr. Schwer zu sagen warum. Vielleicht ist es ja auch die Zusammenstellung des Heft, vielleicht bin ich nach Werwölfen und allen Arten von Shapeshiftern von einem Mann, der nur im Flugzeug sitzt und von seiner Frau wegfliegt, einfach nicht zufrieden zu stellen.
Dieses Leseprobenheft hat seine Tücken, sobald man mehrere Texte hintereinanderliest, treten sie miteinander in Beziehung- was manchen nützt, anderen schadet.

KERSTIN PREIWUSS Nach Onkalo

1: nein
2: nein

Ein dröger Protagonist, ein Simpel. Geschrieben in diesem trocken sein wollenden Schreibschulstil. Nix für mich.




Mittwoch, 6. September 2017

Deutscher Buchpreis Longlist Das Leseprobenheft 3

1: ob ich nach einer Seite weiterlesen würde
2: ob ich nach der Probe im Leseprobenheft weiterlesen würde

JONAS LÜSCHER Kraft

1: ja
2: ja

1:  Seite eins macht Spaß.
Der Protagonist, Kraft, sitzt an einem Schreibtisch, kommt nicht weiter, starrt auf ein Porträt von Rumsfeld. Es folgt eine sehr pointierte, angenehm bösartige Beschreibung des Porträts-  in einer leicht altertümlichen Sprache mit arg verschachtelten Langsätzen. Aber anders als bei Gerhard Falkner (in Teil 1 meiner Longlistleseprobenbesprechung hier) erklärt hier schon der zweite Absatz, warum der Icherzähler so formuliert. Er sagt - im Kopf- zum an der Wand hängenden Rumsfeld:

"Dir zum Trotz werde ich nach einem europäischen Ton suchen".

 2: 
 Schon auf Seite 2  erfährt man, worum es geht: Kraft sitzt an diesem amerikanischen Schreibtisch, weil er die Preisfrage des "Amazing Future Fonds" zu beantworten versucht:
"Optimism for a young millenium-Why whatever is is right and why we still can improve it".
Dem Gewinner winken 1 Million Dollar und Kraft ist pleite.

Philosophiesatire also. Interessant, sowas gibts selten. Will ich lesen.

ROBERT MENASSE  Die Hauptstadt

1: jein
2: ja

1: "Da läuft ein Schwein" . Das ist der erste Satz, arg auf Effekt gebürstet. Funktioniert wie geplant, ich habe ihn schon an allen Ecken und Enden zitiert gehört. Eine Stadt also - Brüssel- und ein Schwein läuft herum. Auf Seite eins wird die erste Figur eingeführt, ein älterer Herr, der gerade aus seiner Wohnung auszieht und unten auf der Straße eben das Schwein. Ich bin gespalten-  natürlich finde ich das auch lustig, natürlich ist das der bisher spektakulärste erste Satz. Aber diese Haha mit dem mir dieser erste Satz seinen Ellbogen in die Rippen rammt ... ich weiß nicht recht. Aber ja, ok, wahrschweinlich lese ich weiter.

2: Das Schwein rennt also an einer Figur des Romans nach der anderen vorbei, so dass man auf Seite fünf bereits sechs Figuren kennen gelernt hat, anhand ihrer Reaktionen auf das Schwein. Das Schwein ist Zeremonienmeister und Fleisch gewordene Metapher- die Sau, die durchs Dorf gejagt wird. Vermutlich typisch österreichischer Humor, auf den ich wohl so säuerlich reagiere, weil ich selbst Österreicherin bin. Ich weiß, dass das "der große Roman über die EU" ist, dass Menasse jahrelang in Brüssel dafür recherchiert hat. Ich habe auch seine Essays über die EU gelesen- also lese ich weiter. Ja eh.

BIRGIT MÜLLER-WIELAND  Flugschnee

1: nein
2: nein

1 und 2:  Ist mir zu poetisch, zu schwül, zuviel schwebend wollendes Gefühl. Nix für mich.

Dienstag, 5. September 2017

Deutscher Buchpreis Longlist Das Leseprobenheft Teil 2

Ich lese die Proben im Leseprobenheft, und befrage mich, ob ich das jeweilige Buch gern weiter lesen würde- 1: nach einer Seite 2: nach dem Lesen der fünfseitigen Probe im Heft.

Heute Helfer, Höthker, Lehr. Teil 1 hier.

MONIKA HELFER Schau mich an, wenn ich mit dir rede!

1: Ja
2:  Vielleicht

1: Es beginnt mit einer sehr prägnanten Szene. Die Erzählerin sitzt in der U-Bahn einer Mutter und ihrer Tochter gegenüber. Die Mutter hackt auf der Tochter herum:

"Wie heißt deine neue liebe, liebe Mama? Ich vergesse ihren Namen immer, weil er so blöd ist."
Das Kind zog den Kopf ein. Sagte aber nichts. 

Genau beobachtete Situation, ausgezeichnete Dialoge. Schrecklich für das Kind, die Mutter kann man aber auch verstehen. Ich würde weiterlesen um herauszufinden, was mit dem Kind passiert.


2: Es gibt noch eine zweite  Ebene: den Gedankenstrom der Erzählerin.  Sie überlegt, wie sie die Szene verfilmen würde, schwarz weiß, wie einen Brüder Coen Film, wie sie die Figuren nennen würde usw. Das stört mich am Anfang ein bisschen, dann immer mehr. Es wirkt ein bisschen gekünstelt auf mich, weil man das heutzutage halt so macht, Relativierung, Distanz usw. Auf Seite vier steht es dann so langsam so, dass mich die Erzählung darüber, wie das alles im Kopf der Erzählerin konstruiert wird, daran hindert, mich auf die Geschichte von Mutter und Tochter einzulassen. Nun könnte ich stattdessen mit der Erzählerin mitfühlen, nur gibts da - bis Seite fünf- nichts, womit man mitfühlen könnte. Die Erzählerin hat bis dahin kein Eigenleben, mein Interesse für das, was sie erzählt, nimmt also immer mehr ab, das für das Schicksal der Erzählerin aber nicht zu. In Summe wird mein Interesse insgesamt weniger. Wenn sich an der Erzählbewegung nicht bald was ändert, würde ich aufhören zu lesen, obwohl mich der Anfang gleich reingezogen hat.

  
CHRISTOPH HÖTHKER  Das  Jahr der Frauen

1: ja
2: ja

1: Die erste Seite besteht nur aus Dialog. Ein Mann mit seinem Psychotherapeuten, direkt nach Silvester. Der Therapeut fragt nach Vorsätzen. Drauf der Klient:

"Das Jahr hat zwölf Monate, richtig? Pro Monat werde ich versuchen, eine Frau zu verbrauchen. Wie hört sich das für Sie an?
"Das ist ein durchaus ...  ambitionierter Plan. Was versprechen Sie sich davon?"
"Absolut nichts." 

Falls er es schafft, das mit den zwölf Frauen, dann will er von seinem Therapeuten die Erlaubnis sich umzubringen.
Schnell, witzig, interessant- ich lese weiter.

2: Szene zwei- ab jetzt ist der Möchtegernselbstmörder der Ich-erzähler der Geschichte. Ich mag die Erzählerstimme sehr. Der Kerl ist total unsympathisch- aber auf sympathische Art. Einer von denen, die auch im Selbstgespräch nie aus dem zynischen Veleugnungsschwadronieren herauskommen, das sie selbst für elegante Ironie halten.  Was er als Antwort auf eine Kontaktanzeige schreibt, um die erste der zwölf Frauen an Land zu ziehen, ist haarsträubend. Sehr unterhaltsam- ich lese weiter.

THOMAS LEHR  Schlafende Sonne

1: Ja
2 :Nein. Obwohl.

1: Ich lese schon aus Ehrgeiz weiter. Dieser Text hat einen hohen Anspruch, man braucht lange um zu verstehen, was eigentlich los ist: Jonas liegt im Bett, in seinem Hirn ein Traumrest im halben Aufwachen,  er denkt an seine Frau Milena, die offenbar was mit einem anderen hat, einem gewissen Rudolf.  Um das zu verstehen, muss man zweimal lesen, hauptsächlich denkt Jonas nämlich an die Sonne, sein Forschungsgebiet, und auch wenn man es begriffen hat, ist immer noch nicht klar, ob die Erzählung tatsächlich irgendwann in die Perspektive der Frau hinüberwechselt, die beim Aufwachen eine sexuelle Phantasie hat, oder ob das alles Jonas' Phantasie von der Phantasie seiner abwesenden Frau ist. Außerdem gibt es noch einen diktatorischen  auktorialen Erzähler, der dazwischenspricht.  Alles in langen, mäandernden Sätzen, die einen schönen Rhythmus haben. Das hier will große Kunst sein, der Wille allein wirkt schon anziehend auf mich, ich lese weiter, obwohl sich in mir auch Widerstände aufbauen ....

2: ... Widerstände, die irgendwann überhand nehmen, sosehr, dass ich das alles nicht mehr will, es mich abstößt.  Das dürfte zu einem großen Teil daran liegen, dass ziemlich am Anfang die sexuelle Phantasie der Frau steht, von der man nicht weiß, ob sie wirklich- also wirklich im Universum des Buches - ist, oder die Phantasie von Jonas über eine Phantasie von Milena. Jedenfalls denkt sich da aber eine Mann eine weibliche Phantasie aus- ohne die kleinsten Zweifel- und wie er das macht, ist mir total zuwider. Sie, Milena, stellt sich "einen blonden Kopf zwischen ihren Beinen"  vor

"..der, als gäbe es einen Mechanismus, ihr eine lange muskulöse Zunge herausstreckt ..." . 

 Und kurz darauf mahnt der auktoriale Erzähler den Mann: 
"Übe deine Zunge, Jonas, der du gerade zu spüren glaubst wie dich die Erde im Stich lässt..."

Ich weiß gar nicht genau, was mich daran so stört, es hängt sicher mit der selbstgewissen, allwissenden Stimme zusammen, die hier behauptet die Phantasie einer Frau zu kennen- die ich, so wie sie hier formuliert ist, in höchstem Maß unappetitlich finde. Besonders dieses biblische "Übe deine Zunge!", das offenbar ein neues Jahrhundert bezeichnet- früher musste man seine Zunge hüten, heute müssen die Männer sie üben...  Ich bin vermutlich älter und prüde geworden- und gleichzeitig noch allergischer gegenüber Männern, die über die Sexualität von Frauen sprechen und sich dabei irgendwie allwissend gebärden. Sicher, das alles ist eine Figur, usw, muss erlaubt sein, nur ist mir die Stimme des auktorialen Erzählers dadurch einfach unsympathisch geworden und ich will nicht mehr so viele Seiten mit ihm verbringen. Ich lese nicht weiter.
Obwohl... es ist alles sehr kunstvoll miteinander verschränkt, die Sprache, in der der Erzähler seine mir unsympathische Weltsicht ausbreitet, ist gut, kann viel, vielleicht sollte ich doch weiterlesen...



 

Deutscher Buchpreis Longlist Das Leseprobenheft Teil 1

Welches Buch von der Longlist würde ich weiterlesen wollen, nachdem ich den Anfang gelesen habe?



In den Buchhandlungen bekommt man zur Zeit ein Buch mit Leseproben von allen 20 Titeln, die auf der Longlist stehen- für einen minimalen Unkostenbeitrag. In "meiner"Buchhandlung, Ocelot in der Brunnenstraße, hat die Buchhändlerin auf meine Frage, was ich dafür schuldig wäre, gesagt: "Ein Lächeln".

Ich werde jetzt die 20 Leseproben lesen und immer zwei Bewertungen abgeben:
1: Ich lese weiter oder nicht - nach einer Seite. Ich persönlich entscheide normaler Weise immer spätestens nach einer Seite.
 2: Ich lese weiter oder nicht nach der Leseprobe in diesem Heft - die ist immer ca. fünf Seiten lang.
Ich werde versuchen nicht zu berücksichtigen, was ich über die Autoren weiß.

Außerdem werde ich mich beim Entstehen meiner Entscheidungen beobachten und versuchen zu beschreiben, wie meine Intuition zu ihren Schnellschüssen kommt. Einige meiner Lieblingsbücher hätte ich niemals gelesen, wenn ich dieser meiner Methode gefolgt wäre. Gott sei Dank gibt es auch noch Empfehlungen von Freunden und Kritiken, die mich Bücher auch dann lesen lassen, wenn ich von der ersten Seite nicht begeistert bin. Trotzdem finde ich es interessant, wonach ich da eigentlich entscheide. Natürlich auch, um demnächst eine erste Seite zu schreiben, nach der wenigstens ich unbedingt weiter lesen würde.

Wenn ich alle durchhabe, werde ich meinen Tipp für die  Short-list abgeben. Über MIt und Gegentipper in den Kommentaren würde ich mich freuen!

Ich gehe nach der Reihenfolge im Buch vor. Die ist alphabetisch.

MIRKO BONNÉ  Lichter als der Tag

1: nein
2: ja

Warum ich nach einer Seite nicht weitergelesen hätte: Die erste Seite handelt von einem bestimmten Licht, über das der Protagonist  schon als Junge oft nachgedacht hat. Zweimal heißt es "Licht", zweimal "Leuchten", wird verglichen mit dem Leuchten auf einem impressionistischen Gemälde, "Pracht der Himmels" "nicht sattsehen können", "Lichtweh" "Rosiger Schimmer". Spätestens bei "rosiger Schimmer" wäre ich draußen, nicht weil es mich nicht genügend packt, sondern aus regelrechtem Widerwillen. Das bin ich ganz persönlich - mit einer Figur, die über ihre Liebe zu diesem rosigen Leuchten eingeführt wird, will ich nichts zu tun haben, außer es wäre ironisch gemeint, ich würde irgendeinen Hinweis darauf kriegen, dass der Autor da nicht 1: 1 innig mit seinem Protagonisten mitschwingt. Einen solchen Hinweis gibt es da nicht.
Ich persönlich denke bei diesem speziellen Licht immer an Brechts Ballade von Jakob Apfelböck:
In mildem Lichte Jakob Apfelböck
erschlug den Vater und die Mutter sein

Warum ich am Ende doch weiterlesen würde: Zunächst hätte ich es auf Seite zwei und drei immer weniger und weniger weiterlesen wollen. Das milde Licht leuchtet nämlich immer weiter rosig, der Protagonist, inzwischen äußerst erwachsen, hat keinerlei Ehrgeiz und geht immer zum Bahnhof und wartet auf das "ersehnte Licht",  das ihm dann "eine Wohltat" ist. Der Mann ist definitiv nicht mein Typ. Auf drei unten wird es besser, weil es endlich eine weitere Person gibt, seine Tochter, ein hässliches Entlein, das in der Schule stiehlt. Schon besser, die könnte ich eventuell mögen. Und dann taucht am Bahnhof eine gewisse Inger auf, er duckt sich weg, "sie folgt ihm nicht", "Inger hatte ihn nicht erkannt". Das ist ein ordentlicher Cliffhanger- wenigstens der Editor des Leseprobenhefts hats drauf- ich würde weiterlesen um herauszufinden, was es mit Inger auf sich hat. (Aber beim nächsten Licht wäre ich wieder draußen!)

GERHARD FALKNER  Romeo und Julia

1:nein
2:nein

Hier habe ich massive Schwierigkeiten mit der Sprache, das pfeffert mich gleich beim ersten Satz raus, in dem sich ein "ungewöhnlich seltsamer Vorfall" ereignet. Das ist ein Pleonasmus. Gleich im nächsten Satz "scheinen die Prozeduren seines Fortgangs so an den Haaren herbeigezogen...." Was, bitte schön könnten denn "Prozeduren eines Vorfalls" sein? Vielleicht ja die Prozeduren, die im Verlauf des Vorfalls angewandt wurden? Aber selbst das passt nicht so recht. Noch weniger kann ich mir vorstellen, wie Prozeduren an den Haaren herbeigezogen scheinen können.  Und so gehts munter weiter. Es handelt sich hier allerdings um einen Ich-erzähler, ergo um Rollenprosa. Und dieser Erzähler redet enorm elaboriert, ist auch ein Schriftsteller, vielleicht soll es ja ein lächerlich schlechter Schriftsteller sein. Ich kriege aber nicht ausreichend Hinweise, wie die Sache gemeint sein soll. Mich von Anfang an damit herumschlagen zu müssen, ermüdet mich. Ich würde aufhören zu lesen.

P.S.: Ich weiß, dass Gerhard Falkner immer besonders wegen seiner Sprache gelobt wird. Kann sein, dass es total an mir liegt, dass ich verstimmt bin, weil ich die Absicht nicht spüre.

FRANZOBEL  Das Floß der Medusa

1: ja
2: ja

Ja und ja. Drei Sprachebenen: leicht altertümlich, dann mitten rein Gegenwartssprache, dann funkt ein auf ironische Weise betulicher auktorialer Erzähler dazwischen und wendet sich direkt an die Leser - all das angenehm gemischt, nicht um zeigen, wie kunstfertig der Autor ist, sondern zum Vergnügen der Leser. Tolle Abenteuergeschichte, die sofort losgeht: Schiffbrüchige, die sich gerettet haben, indem sie ihre Kollegen aufgefressen haben- viele Kollegen. Letzter Satz der Leseprobe:- Die Welt muss wissen und sie wird erfahren, was wir erlebt haben.
Ich auf jeden Fall- Buch bestellt.

Morgen gehts weiter mit Monika Helfer, Christoph Höthker, Thomas Lehr