Field commander Cohen, you promised to stand guard.
Was wär ich geworden ohne ihn? Ich kann es mir nicht vorstellen; kein Mensch. Nicht in dem Sinn, in dem die Juden sagen: das is "a Mensch" Ohne ihn wär ich nur ein Klumpen Lehm.
Er war meine Freude.
Ich habe nie verstanden, wenn manche sagen, sie hören seine Songs nur um in
Traurigkeit zu baden. Mir haben sie gezeigt, wie das geht mit der Freude.
Wenn alle Versuche immer wieder scheitern, die erträumte
Revolution, der Versuch zu lieben, der Versuch frei zu sein, der Versuch die Wahrheit
zu erkennen; wenn man begreift, dass man all das nicht haben kann, nie haben
wird – und wenn aus dieser Erkenntnis die Sehnsucht erst Recht in die Höhe
schießt, wie sie es in seinen Liedern tut: das löst bei mir unbändige Freude aus. Ich
spüre: das bin ich. Aus diesem
Widerspruch bin ich gemacht. Und nicht nur ich bin so - so sind auch alle anderen.
Alle scheitern, alle sind einsam, alle erkennen die Sinnlosigkeit, alle sind
überrascht über die ewige Wiederkehr der Sehnsucht. Ich bin nicht allein mit
meiner Einsamkeit.
And even
though it all went wrong
I'll stand before the Lord of song
With nothing on my tongue but Hallelujah
I'll stand before the Lord of song
With nothing on my tongue but Hallelujah
Ich habe
gesehen, wie er selbst überrascht war, was seine Songs bewirkt haben, und wie
er sich darüber gefreut hat. Das war auf dem legendären Konzert in Berlin 2008,
in der monströsen O2 Halle, eines der ersten Konzerte nach seinem Wiederauftauchen
aus dem Zen Kloster.
Er war da
schon alt. Ich auch nicht mehr jung. Rund um mich viele Menschen in meinem Alter,
jeder auf seine Art gescheitert, alle verlegen bei dem Versuch so auszusehen,
so zu sein, wie damals. Und er,
Cohen, klein und weit weg, mit demselben Anzug, demselben Hut wie früher. Am Anfang haben sich, glaube ich, alle geschämt, wie wir so
dastanden, mit nackter Seele, so bedürftig. Und dann, obwohl es peinlich war, begannen
die ersten ganz leise mitzusingen: I have tried in my way. Und dann immer mehr- I have tried- aber ganz leise
und sauber. Alle kannten alle Texte. Jedes Wort.
Cohen kam an die Rampe und sagte, er habe Schriftsteller werden wollten.
Singen wollte er nur nebenbei, bis die Bücher Erfolg hätten. Und jetzt, vierzig
Jahre später, sei er hier. Und es sei ihm nicht möglich, ganz zu erfassen, wieviel seine Songs über all die Zeit für so viele Menschen bedeutet hätten. Das war keine falsche Bescheidenheit, wie er das sagte. Man konnte
spüren, dass er das ganze Ausmaß wirklich nicht in sich aufnehmen konnte, dass
es zu viel war, in diesem Riesensaal, all diese Menschen, für die er den
Soundtrack zu allen wichtigen Momenten ihres inneren Lebensfilms geliefert
hatte. Man konnte seine Freude spüren. Ich glaube alle, wirklich alle
zigtausend Menschen, die da waren, haben geweint. Danach war Pause, die Frauen auf dem Klo waren aufgelöst, Ströme
von Wimperntusche, die sie achtlos verschmierten. Und strahlende, strahlende
Gesichter.
Nach der letzten geplanten
Zugabe: „It’s closing time“ nach „First we take manhatten, then we take berlin“,
ging das Konzert noch über zwei Stunden
weiter und bei manchen Songs wusste man nicht, wer sie angestimmt hatte: er oder irgendwer im Saal-
like a drunk in a midnight choir- das war nicht zu unterscheiden.
In den
letzten Wochen habe ich das Hören seines letzten Albums immer wieder
abgebrochen. Einen so direkten Kommentar zu seinem Tod wollte ich von
ihm nicht hören. Lass mich damit in
Ruhe, habe ich gedacht. Das gehört sich
nicht, dass Du, dem ich das Leben meiner Seele verdanke, mich jetzt mit deinem Sterben
belästigst.
Und dann spricht er auch noch direkt zu Gott. Dabei hat er nach dem Verlassen des Zen
Klosters gesagt: "Some kind of relaxation overtook me since I realized I
was no longer a religious seeker. And I am grateful for that." Vorbei.
A million candles burning for the love that
never came
You want it darker
We kill the flame
You want it darker
We kill the flame
Du willst
es noch dunkler, Gott? Noch schwärzer als ein Leben lang nicht zu antworten? Dann
löschen wir das Licht- dann sterbe ich eben.
Ich wollte
das nicht hören- auch noch mit seiner inzwischen schrecklich tiefen Stimme, aus
der das Alter all die Höhen des „Hallelujah" herausgefiltert hat. Ich war
voller Wut auf einen Gott, der sich nicht einmal davon rühren lässt- der sich
ihm trotz einer so vollkommenen Hingabe nicht zeigt. Natürlich nicht zeigt, weil
es ihn nicht gibt, wie wir immer schon wussten. Wie auch Cohen von Anfang an
immer wusste.
Ich wollte
es nicht hören, weil es mir so endgültig vorkam, so unironisch. Als ob er wirklich gleich Sterben wollte,
nachdem er dieses Letzte gesagt hatte, willentlich, wie die Indianer, die zum
Sterben auf einen Berg steigen. Wie die Buddhistischen Mönche, die im Zazen
sterben und deren toter Körper tagelang nicht umfällt, weil ihre Sitzhaltung so
perfekt ist.
Aber dann erschien
vorige Woche ein Interviewschnipsel auf seiner Facebook Seite- da sieht man ihn
verschmitzt lachen und er sagt: " I said I was ready to die,
recently- I think I was exaggerating. One is given to self-dramatization from time to time. (er lacht) I intend to live forever."
Da war ich
so froh, so getröstet. Und dann konnte ich auch die zweite, ironische Ebene in
den Songzeilen hören:
All die
tausend Kerzen- und nichts. Na gut, wenn Du's lieber im Dunkeln machen willst …
dann löschen wir eben das Licht …
Hineni, hineni, I'm ready, my Lord.
Und dann
sieht man ihn da im Finstern stehen, nachdem er all die Kerzen ausgepustet hat,
mit nackiger Seele, wie er immer noch, entgegen allem, was er gerade gesagt hat,
zu irgendjemandem spricht. There's still
a paradox to blame. Immer weiter spricht,
zu etwas, das er dort im Finstern, im Bett vermutet, spricht, zu was auch
immer.
Wie er immer noch
spricht. Und ewig sprechen wird.
Oh, my love