Posts mit dem Label Klaus Kastberger werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Klaus Kastberger werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 5. Juli 2015

Bachmannpreis 2015. Dritter Tag. Teresa Präauer

Teresa Präauer, „Oh, Shimmi!“


Riesenerfolg, Lachsalven, Jury ausnahmslos begeistert. 

Story: Junger Mann will Frau- sie will ihn nicht. 

»Schimmi, verschwinde. Bevor du dich zum Affen machst.. 
Sapperlot, sie lädt mich ein, denke ich, und pfeif“ 

Er nimmts als Aufforderung, holt sich im Kostümverleih ein Affenkostüm, grooved sich voll ein auf den Affen, ein Riesensprachspaß ist das, und nicht nur Sprach-, sondern Überhauptspaß. Der ist eins mit sich, der Shimmy- affe, der wills und ist unterwegs um sich zu holen, was er will, da ist echte Begeisterung und Freude in seinem Kopf, das ist das Paradies in seinem Kopf, und als Zuhörer bist du auch im Kopf von diesem Shimmy, und der rapt in seinem Affenkostüm zurück zur Wohnung von seiner Ninni und tritt die Tür ein...

»Ich bin Schimmi, der Affengott!«, gröle ich durch Ninnis Appartement und springe ins Schlafzimmer. 
»Komm zu mir, süße Mangofrucht!«, jaule ich, werfe mich aufs Bett und breite meinen schwitzenden Affengottkörper über ihr Laken aus Nylon.
»Nie, nie, nie« und »nee, nee, nee«, quengelt Ninni, aber ich verstehe ihre Sprache, denn ihr Nein meint ein Ja. Nein-nein-nein, sagt sie, aber in Summe ergibt das ein Ja.“

… und will sie begeistert vergewaltigen. 

So eine unglaubliche Lockerheit! heißt es in der Jury, so leicht!! So lustig, ein Zauberstück auf offener Bühne- so ein Vergnügen!!

WTF!! Darf sie das? So lustig affirmativ in einen Machomöchtegernvergewaltiger hineinschlüpfen, einfach so, zum Spaß? Jajja, sie darf, Autoren sollen alles dürfen. Aber darf die Jury, - dürfen die Frauen in der Jury, so begeistert sein- von der Leichtigkeit? Ich finde: nein! Weil es die Art von leichtem, lustigen Vergewaltigerspaß für Frauen nicht gibt, nur in einer virtuellen Welt, in der sie ein Mann sein können. Und weil der Text völlig auslässt, dass es die Art von Spaß nur für die eine Hälfte der Menschen gibt, und das ist für die andere Hälfte außerhalb von Popvergnügen zumindest ärgerlich, man kann das auch noch viel übler finden. Und diese strukturelle Ungleichheit, die da leider nicht nur eine körperliche ist, sondern auch eine, die den möglichen Seelenspaß betrifft, den man im Leben so haben kann, die ist durch den Feminismus noch keineswegs beseitigt worden. Schlimmer: es gibt kaum Vorstellungen davon, wie das überhaupt gehen könnte. Und: ja: das mäkelnd einzuwenden, dagegen mürrisch aufzutreten, das ist diese blödsinnige feministische Unzufriedenheit, vor der sich z.B. die süße kleine Ronja von Rönne ekelt. Ich verstehs. Das ist nicht sexy. Wer so motschgert nach einem sooo lustigen, sooo

spielerischen Text, der versteht keinen Spaß. Da geht’s doch nicht um Flugblätter sondern um Sprache, Spiel usw., stimmts? Da gehts um den Rhythmus wo man mit muss. Solche Weiber, die das nicht verstehen,  sind Spaßbremsen, sagen sie oben in Deutschland. Und in Ö, dort wo Shimmy der Affe unterwegs ist, täten sie sagen: So eine is eine zuag‘nahte Fut, auch Klammerfotze genannt. Und so eine bin ich also, wenn ich mich nicht mitfreuen kann mit der Jury.

Wie hat Teresa Präauer das gemacht? Der Text macht ja wirklich Spaß. Ich denke, er handelt wirklich vom tiefsten und sc
hönsten Vergnügen, das es gibt.  Man muss nur an junge Tiere denken, die sich balgen. Wie die sich an ihrer Kraft freuen, und ausprobieren, gegen wen sie wie gewinnen könnten- und das Leben voll solcher aussichtsreicher Kämpfe liegt vor ihnen. Wenn man da zuschaut, geht einem „das Herz  auf“, vor soviel Lebensfreude, Vitalität- vor soviel Ungebremstheit.  Den Schimpansen sind wir ja wirklich extrem nah- und können sehen, wie es läuft: Gruppentiere sind das. Und sie wollen um ihren Platz in der Hierarchie kämpfen und wollen Sex haben. Und beides hängt eng zusammen und beides ist nicht gänzlich genetisch festgelegt, sondern was festgelegt ist, sind verschiedene mögliche Muster. Und in sich in ein solches Muster hineinfallen lassen und dabei die eigene Kraft spüren und wissen, dass man eine Chance hat zu gewinnen – das ist wohl „das Schönste, das ist das Schönste, auf der Welt“. 
 Aber viel davon ist reguliert- ist nicht „einfach so“ erlaubt, bei den Schimpansen schon nicht und bei uns erst Recht nicht. Es soll ja eine funktionierende Gruppe bleiben- Konkurrenzkämpfe dürfen nicht zum Tod des Schwächeren führen, sondern nur zu dazu dass er die Niederlage akzeptiert und im Status jetzt eine Stufe  tiefer steht. Es gibt- auch schon bei Schimpansen- ein  Gerechtigkeitsgefühl, das Statusunterschiede nur bis zu einem gewissen Grad akzeptiert (der bei uns wohl zur Zeit weit überschritten ist). Und bei der sexuellen Balz dürfen die Schimpansenmännchen zwar auch solche Weibchen pimpern, die deutlich nicht zugestimmt haben, aber sie dürfen sie nicht grob verletzen. Aber immer ist bei diesen Mustern ein gerütteltes Maß an Gewalt im Spiel, keine vernichtende, nur unterwerfende Gewalt. Und der Spaß, die Begeisterung, ist von der Gewalt nicht zu trennen. Verlangen die Regeln der Gruppe, dass man die Gewalt bremsen muss, dann gibt es einen moralischen Konflikt (auch schon bei den Schimpansen) – und der ganze Vorgang beginnt zu ruckeln, es läuft nicht mehr glatt,  nicht mehr so schön, so leicht, so froh. Im Paradies, so stellen wir uns das vor, gab es diese moralischen Konflikte noch nicht- und daher paradiesische Zuständ-.



Shimmy, der Junge in seinem Affenkostüm, hat eine solche Freude. Die gibt’s, die ist bestimmt herrlich- die lässt sich nicht ablösen von der Gewalt. Wir- „zivilisiert“ wie wir sind, wollen von den  Zusammenhängen von Lebensfreude und Gewalt meist nichts wissen. Stellvertretend genießen wollen wir sie aber schon. Erlaubt ist das im Sport. Und in der Literatur dürfen wir mit Kämpfern mitfühlen, die als Ausgangspunkt eine arge Benachteiligung haben. Wenn es einer unbedingt schaffen will, der aus ganz armen Verhältnissen kommt, am besten eine Waise, oder einer, der nur ein Bein hat, oder aus irgendeinem Grund, den wir falsch finden, einfach keine gleichen Ausgangschancen bekommt, weil er oder sie schwul ist oder schwarz z. B., dann dürfen wir es mitgenießen, wenn sich so jemand hinaufkämpft, und da darf uns auch die Gewalt gefallen – ist ja „Gegengewalt“  (so hieß das früher). Sonst nicht.  Wie macht das also die Präauer mit ihrem Shimmi, dass sich alle in der Jury erlauben können, sich mit der Gewalt mitzufreuen?



Erstens macht sie‘s mit einem billigen Ende. Die Vergewaltigung (die in seinen Augen nie eine war, denn im Balzritual von dem ich  glaube, dass es uns wirklich in den Genen steckt, geht es um Verfolgung und Flucht, um Unterwerfung und Hingabe- und es steckt also wirklich im Ritual, dass einer von beiden nein sagt und ja meint. Wenn man das umstoßen will (die Bonobos scheinen es getan zu haben) dann bringt man sich um ein paar Hundert Tausend Jahre des ungebrochenen paradiesischen Vergnügens …. Die Feministinnen verlangen wohl nicht weniger als das, und da kann man schon wütend auf sie werden- sie verlangens und versuchens, weil das Vergnügen der Unterwerfung lang nicht so paradiesisch ist, wie auf der eigenen Kraft mit Wumms und allen Segeln der Natur gewaltsam in den andern hineinzurauschen)- diese Art der Vergewaltigung, die für Shimmi keine ist, die gelingt nicht. Nini ist stärker und verprügelt ihn. Ist also „nix passiert“.  (Gibt’s übrigens bei Schimpansen auch- manchmal trifft einer, ders „unbedingt wissen will“ auf ein Weibchen, dass nicht nur keine Lust hat, sondern auch stärker ist als er, und ihn verprügelt.)

Das ist, wie ich finde, ein billiger Trick, denn alles, was in Shimmi vorher vorgeht, und was  so viel Spaß macht beim Zuhören, wäre ganz genauso, wenn die Autorin ihn auf eine ein bisschen schwächere Gegnerin hätte zugrooven lassen – und dann hätte sie den Text mit derselben Begeisterung in einen erfolgreichen und mit einiger Gewalt erzwungenen Beischlaf münden lassen müssen. Wie wär das gewesen, Jury? Immer noch so leicht? Immer noch ein Sprachspiel? 

Ich bin übrigens ungerecht: Sandra Kegel hat dieses Ende moniert. Als Einzige hätte sie sich gewünscht, dass das nicht so einfach aufgelöst würde.

Also: die Gewalt samt Spaß war zwar da, aber Shimmi hat verloren. Und: dieses lustige
Österreichisch! Da ist die Gewalt ja von vornherein nicht so ernst, bei so einem Dialekt. (Von Helmut Qualtinger gibt’s natürlich viele schauspielerische Gegenbeispiele).

Die Bedingung, unter der wir bereit sind Großmäuligkeit lustig zu finden, ist, dass sie von Underdogs kommt. Ich kenne das! Ich arbeite mit türkischen Kids und gegen den Machocharme der Jungs kann man sich kaum wehren. Dieser unbedarfte Genuss am
eigenen Testosteronspiegel ist ungemein attraktiv. Wie die Jungs ihren vierjährigen kleinen Brüdern beibringen, wie sie mit ihren kleinen Babyspeckbeinen breitbeinig in der Mitte des Gehsteigs gehen und auf keinen Fall auszuweichen sollen - das ist soooo lustig und süß. Aber es ist nicht ebenso lustig für eine Frau, die dann ständig ausweichen muss. Und- und das ist das eigentlich Prekäre: eine Frau , die versucht NICHT auszuweichen, ist nicht sexy und es verschafft ihr nicht denselben Genuss- weil sie nicht in ihre Muster sinken, nicht auf vorgegebene Weise ihre Kraft erproben kann. Sie kann nie so ein Shimmiaffe sein- ein Text, der ihr das vorgaukelt, betreibt vorsätzliche Täuschung.



Klaus Kastberger bedankt sich bei dem Text, weil er sich durch ihn jung fühlt. Ja, ich verstehe das. Er hat da auch eine wunderbare Erlaubnis bekommen als Mann. Denn was man spürt, ist männliche Vitalität. Aber wunderbarer Weise durch Mund und Stift einer Frau- und daher genehmigt. Denn freilich gibt es auch Gangsta Rapper, die mit ihren Phantasien so ein Vergnügen beschwören, aber da voll einzusteigen darf sich ein erwachsener Intellektueller nicht erlauben. Der muss behaupten, es sei ironisch- wo doch die Freude darauf beruht, dass man ganz mit sich eins ist, also eben gerade nicht ironisch.



Wer fällt dem Feminismus entschiedener in den Rücken, Ronja von Rönne oder Teresa Präauer? Ich finde dieser Jugendpreis geht eindeutig an Teresa Präauer (und wird ihr daher auch einen der Preise eintragen und Ronja von Rönne nicht. Das übrigens diese BEIDEn von Hubert Winkels eingeladen wurden, lässt mich schon ein bissl nachdenklich werden bezüglich seiner Präferenzen)

Spaß machen beide auf dieselbe Weise: sie trauen sich, den Spaß an Gewalt auszustellen. Ronja von Rönne denkt über ein alternatives Rastamädchen in der Kneipe, die solle eine Burka anziehen, so hässlich wie sie sei. Selbe Art von Lacher: sie gibt zu, dass es Konkurrenz gibt, und sie trommelt sich an ihre Brust und sagt: da schaut her, wie hübsch ich bin, ich bin die Schönste! Ich mach die alle fertig mit meinem Aussehen, ich gewinne diese Konkurrenz und das macht mir auch Spaß. Das zu zeigen, ist politically incorrect- deshalb ein Vergnügen. Und sie macht aber auch schnell einen Rückzieher, was die Freude betrifft- schon eine Seite später sehnt sie sich nach Geborgenheit und will lieber nicht mit den Mädchen kämpfen. Aber davor redet sie vom Spaß an der Gewalt, sagt, sie wünscht sich ein bisschen Krieg und schüttet ein Bier um. Sie wünscht sich Testosteronspaß wie die Jungs ihn jetzt in so einer Kneipe bestimmt hätten. Obwohl sie sich offiziell vor Feminismus ekelt, wünscht sie sich Gleichberechtigung- die sie nicht hat. Und was ist das? – Genau.  Präauer hingegen:  verschleiert und verwitzelt, dass es für eine Frau einen ähnlichen Gewaltspaß, wie Shimmi ihn erlebt, nicht geben könnte. Man muss sich nur vorstellen, dass eine Frau, der ein Mann gefällt und die Sex mit ihm anbahnen möchte, sich ein Affenkostüm holt und sich dann voll in die Automatismen fallen lässt, die wir von (weiblichen) Schimpansen kennen. Wäre da so ein Spaß denkbar? No no no.



Direkt danach kam Dana Grigorcea mit einem großartigen Text, Besprechung folgt.  Sie ist meine Favoritin.

Freitag, 3. Juli 2015

Bachmannpreis 2015. Zweiter Tag, Monique Schwitter, Ronja von Rönne


An diesem Nachmittag tickt es in mir zweimal hintereinander anders als in der Jury. 

Monique Schwitter, „Esche“

Die Autorin ist Schauspielerin (wie auch Katerina Poladjan) und liest ausgezeichnet, prägnant, schöne Stimme. Überhaupt gibt es in diesem Jahr viel gute Vorträge, die Zeit, in der es als besonders genialisch galt, wenn Autoren sich in den eigenen Texten hauchend verschwurbelten und niedergedrückt vom Gewicht ihrer Kunst am Wasserglas hingen, scheint vorbei zu sein. Gott sei Dank.

Story: (da geht mein Problem los: ich wünsche mir offenbar mehr altmodische Story, mit Konflikt und Pointe, als sämtliche Mitglieder der Jury.) Also: Eine Icherzählerin geht mit dem schwulen Freund der Familie durch den Wald. Es ist ein „Friedwald“ wo man die Asche von Toten beerdigen kann, die neueste Mode. Die beiden suchen eine bestimmte Esche, der Freund, Nathanael (Thanatos, sic!), soll für seine demente Mutter entscheiden, ob sie hier begraben werden soll- neben ihrem Mann, dessen Geliebter und deren Mann, der wiederum als einziger von diesen Vieren schon tot ist und bereits hier liegt. „Verzwickte Liebesverhältnisse“: Der Vater hat sich nachdem die Mutter dement wurde, mit der Nachbarin zusammengetan, die die Mutter, als sie noch klar im Kopf war, nicht leiden konnte. Soll die Asche der Mutter also neben der Asche dieser beiden liegen?

Auf Seite drei kommt dann doch noch sowas wie der Beginn einer konventionellen Geschichte ( wo man, oder wenigsten ich, sich bereits ziemlich ungeduldig fragt, worum es denn eigentlich geht):

   „Was machen wir jetzt bloß?“ fragte er, als ich ihn letzte Woche anrief, und schnäuzte sich. „Kommst du klar, mit allem? Mit den Kindern? „Weiß ich nicht“, antwortete ich. Er bot an, uns abends zu besuchen, mit den Kindern zu spielen, sie ins Bett zu bringen, gemeinsam zu kochen.

Endlich eine Frage, der ich als Leser nachgehen kann: was ist passiert? Offenbar ist der Mann der Erzählerin weg, warum? Aber die Frage wird sofort wieder fallen gelassen. Absatz. Und weg ist sie. Die beiden, die da im Wald herumspazieren, erwähnen das mit keinem Wort. Über drei Seiten kommt es nicht mehr vor, so dass ich es nicht mehr als Bogen empfinde.

Stattdessen erzählt Nathanael von einem weiteren Dreieck in der Generation seiner Eltern: (all diese Erzählungen sind ebenso unaufgeregt wie die Kommentare, die die Erzählerin zu ihnen abgibt- als ginge es die beiden handelnden Personen nur ganz am Rande etwas an): 

Der Onkel Wolf und seine Bärbel. Die beiden waren eine Kinderliebe, Bärbel war sehr dick, der Onkel hat sie gefüttert, dafür durfte er sexuelle Sachen mit ihr machen. Sie wurde schwanger, kam ins Erziehungsheim, der Onkel hat eine andere geheiratet, die dünn war und Dinkelkekse aß. Nach vierzig Jahren trafen sich Onkel und Bärbel zufällig wieder, seitdem sind sie wieder ein Paar. Der Onkel füttert Bärbel, die jetzt schon so fett ist, dass sie nicht mehr aufstehen kann. Die Ehefrau des Onkels ist gestorben. („Feeding“ heißt diese Perversion, und die „Fütterer“ füttern dabei ihre Liebesobjekte bis zum Tod. Ich habe davon gehört, mich schauderts, aber welche Funktion hat das nun in der Geschichte? Und überhaupt: welche Geschichte?

Auf Seite 5 hat der Mann eine Nachricht auf dem AB hinterlassen:
„Er vermisse die Kinder. Und mich. Auch wenn ich das nicht hören wolle. Und er habe Neuigkeiten: Er komme voraussichtlich in zehn Tagen zurück.“
Aha. Sie will nicht hören, dass er sie vermisst. Hat sie ihn gebeten zu gehen? Trennung auf Zeit? Aber er kommt in zehn Tagen zurück. Wenn er das entscheiden kann, dann ging es doch nicht von ihr aus? Und wieder versinkt der kleine rote Faden um kommt nun bis ganz zum Ende nicht mehr vor.

Nathanael bringt- als Sandmann- die Kinder ins Bett. Der Größere träumt, dass er fliegt und abstürzt, hat am nächsten Tag arge Kopfschmerzen. Weil sie nicht wissen, ob das Kind nicht vielleicht aus dem Bett gefallen ist und eine Gehirnerschütterung hat, bringen sie ihn zum Arzt. Im Wartezimmer sitzt eine Bekannte (eine “sehr dumme Frau“), die glaubt, Nathanael sei der neue Partner der Erzählerin. Die weist sie zurecht: 

„ Philipp und ich sind verheiratet, es hat wahrscheinlich wenig Sinn, dir das zu erklären, aber wir tragen denselben Namen, dieselben Sorgen, dieselbe Verantwortung, und nun, leb wohl“.

Der Arzt sagt, das Kind habe nichts, es sei ja oft so, dass ihn die Eltern brauchen würden, nicht die Kinder. Auf dem Heimweg fragt Nathanael die Erzählerin, ob das, was sie über die Ehe gesagt hat, als Bekenntnis zu verstehen sei. Sie antwortet nicht, stattdessen zeigt sie ihm eine Esche am Kanal. Er sagt „sieht schön aus, wir sollten die hier nehmen, was meinst du?“. Ende.

Ich war überzeugt, dass ich irgendeinen Satz verpasst hätte. Dachte bei Beginn der Jurydiskussion, nun würde gleich irgendwer die Story zusammenfassen- mir erklären, warum der Mann weg war und was die Entscheidung am Ende bedeutet. Aber nichts! Im Gegenteil, niemand schien diesen Strang überhaupt bemerkt zu haben. Andererseits fehlte auch niemandem ein roter Faden. Alle waren begeistert von der, wie sie alle wiederholten, barocken Aufhäufung von „unerhörten“ Geschichten. Nun funktionierten die Geschichten in der Geschichte für mich aber auch nicht, denn auch das waren ja nur Situationsbeschreibungen ohne jeglichen Konflikt. Wieso ticke ich auf einmal so anders? Fehlt mir ein literarischer Schlüssel? (Abgesehen davon, dass ich den Text sprachlich sehr schön fand, fehlerfrei – aber er war mir egal, löste nichts aus.)

Eigentlich glaube ich, dass die Story so gemeint ist: Frau fragt sich, ob sie sich von ihrem Mann trennen soll. Geht mit schwulem Freund über den Friedhof. Sie muss dran denken, dass es die „normale“ Konvention für Beerdigung nicht mehr gibt. Die Kirche hat ja gesagt: „Bis dass der Tod euch scheidet“- und: Ehepaare gehören zusammen in ein Grab. Punktum. Jetzt hat eine diffuse Naturreligion übernommen, da können alle unter einem Baum liegen. Keine ordentlichen Institutionen mehr. Woran soll sie sich dann halten? Der schwule Hausfreund ist eigentlich der ideale Partner- nur dass es keinen Sex gibt. Und Sex ist ja nicht unbedingt schön- das Paar mit dem „Feeding“- da gibt es zwar das heute so wichtige beiderseitige Einverständnis- aber irgendwo ist das doch trotzdem nicht in Ordnung? Dann fällt das Kind aus dem Bett und hat einen Albtraum- vermutlich weil es lieber eine sichere Familie hätte als den schwulen Hausfreund als Sandmann. Daraufhin entscheidet die Frau sich für die Institution der Ehe. Nicht wegen „Liebe“ oder „Sex“, sondern weil sie eine Institution braucht, an die sie sich halten kann.

Diese Geschichte ist merkwürdig antiklimaktisch, und die Autorin hat soviel wie möglich mit Auslassungen gearbeitet. Dabei hat sie – jedenfalls für mich- ein bisschen zu viel weggelassen. Die Ängste der Icherzählerin waren für mich nicht nachvollziehbar. In der Jury sahen die meisten in Alt-68er Manier barocke Freuden in der alten Generation. Das hat ihnen gefallen- ich glaube aber, das ist nicht das, was in der Erzählerin vorgehen sollte um die „Story“ voranzutreiben. Einzig der jüngere, dünn und schweizerisch- asketisch wirkende Juri Steiner war von den Schrecken und der Lieblosigkeit der Beziehungen in der älteren Generation erschüttert…


Ronja von Rönne, „Welt am Sonntag“


Hier wiederum fast nur Naserümpfen in der Jury. Ich hingegen fand das zwar auch keine „große Literatur“- habe aber mindestens zehnmal laut gelacht. Noch öfter und vergnügter als bei Nora Gomringer.

Wieder eine Icherzählerin. Keine Story sondern eine Schimpftirade. Ein – teilweises- Alter ego der Autorin verbringt den Sonntag in Karlruhe, schreibt auf die „to do“-Liste für den Tag: „hassen“ und schimpft dann auf alles und jedes. Sehr sehr lustig!! Klar ist es am einfachsten aus enthemmtem Geschimpfe Witz zu ziehen, aber das ist schon gekonnt- ein Pointenfeuerwerk! Eigentlich ein Text fürs Feuilleton.

Der Gestus: die gute alte Verzweiflung der Adoleszenz. Ich denke (genau wie Kastberger) sofort an Sallinger. Natürlich gibt es das in jeder Generation wieder. Jemand wird erwachsen und sieht, dass die Welt hohl und verlogen ist. Keine Authentizität, nirgends. Nur totale Einsamkeit und Idioten. Und man empfindet, man sei der Einzige, der wirklich fühlen könne, der Einzige, der das Entsetzen des Todes begriffen habe.

Mir geht es wie immer mit diesen wütenden Jugendtexten (wen sie gut sind): ich fühle mich genauso! Und ich bin sofort wieder in dieser Phase in meinem eigenen Leben und denke, dass ich danach nie mehr so heftig empfunden habe wie damals. Und ich beneide diese Jugend, die noch provozieren darf und nichts sein als wütend- weil es ja noch keine Verantwortung gibt und pures Dagegensein noch eine Tugend ist.

„Sie wollen nicht zuschlagen, sie wollen nicht herumbrüllen, dabei sehe ich doch, dass sie Lust auf Gewalt haben, irgendwer muss ja die Millionen Shades-of-Grey-Bücher gekauft haben. 

„Ich will nur ein bisschen Krieg“, sage ich matt und ziehe einen Stuhl anden Tisch. 
„Hä?“, fragt das Mädchen mit dem NO PEGIDA-Shirt. 
„Ich will nur ein bisschen Krieg. Ich will nicht, dass alles so gemütlich ist“, sage ich und trinke ihr Bier aus.

Ahahahaha!!!! Ist das nicht herrlich?In der Jury scheint sich aber kaum wer zu freuen, sie haben auch nicht gelacht. Sind aber auch nicht provoziert- einzige Ausnahme: Meike Feßmann (Respekt!).

Das sind also keine verkappten Berufsjugendlichen, so wie ich. Aber so abgeklärt wie sie hier erscheinen (und ich denke gleich: „die Erwachsenen“) will ich nicht sein. Nein, ich will so jung sein wie Ronja von Rönne, so verzweifelt und so witzig.

Ein Unterschied zu früheren Texten, z.b. Sallinger: diese Erzählerin schimpft hauptsächlich auf Gleichaltrige, weniger auf Erwachsene. (Alternative Studentinnen: „Sie sind die Rädchen im System, die sich für den Sand halten“ )

Und die Autorin ist der Erzählerfigur gegenüber, mit der sie sehr viel gemeinsam hat, genauso gnadenlos zynisch wie gegen den Rest der Welt. Die Erzählerin muss nämlich „was leisten“, performt eine erfolgreiche Geschäftsfrau (die Ronja von Rönne ja ist), „hasst“ als Arbeitsaufgabe (und erstellt dabei den Hasstext, mit dem sie hier eingeladen wurde). Betrunken kriegt sie dann das heulende Elend und wäre doch gern geborgen in der Gruppe der doofen Alternativstudentinnen- geht aber nicht.

Also: die Provokation ist abgeperlt. Aber das ostentative Nicht-lustig-finden der Jury ist wahrscheinlich doch eine beleidigte Reaktion. Damit wird Ronja von Rönne wohl keinen Preis kriegen- aber viele, viele Aufträge. Und das verdient! Wer lachen will , (und sich jung fühlen) sollte den Text lesen!

Bachmannpreis 2015. Erster Tag, Katerina Poladjan


Disclosure:

Wenn ich den Bachmannpreis anschaue, bin ich voller Neid. Ich würde viel lieber selbst dort lesen als zuschauen. Statt unvoreingenommen bin ich also prinzipiell eher missgünstig. Allerdings hoffe ich auch hier auf Texte, die mich begeistern und mir zeigen, was ich mir eigentlich von Literatur noch erhoffe- und mir einen Grund geben, selbst zu schreiben. Mir gefällt auch nicht NIE was. Ich war sowohl vom Siegertext 2013 von Katja Petrowskaya „Vielleicht Esther“ völlig begsistert, (und danach auch vom gleichnamigen Buch ), als auch von dem von Olga Martynova im Jahr davor. (Aber vielleicht kann ich nur Russinnen schätzen? Nein, ich war auch vom Text von Wolfgang Herrndorf hingerissen, „Diesseits des Van Allen Gürtels“ , der 2004 den Publikumspreis bekam, und habe danach alles von ihm gelesen. Dazwischen erinnere ich mich an fast nichts, aber ich erinnere mich generell fast nie an irgendetwas, wenn ich nicht darüber schreibe).



Tratsch: Diesmal natürlich spannend: wer sind die Neuen in der Jury?

Zunächst der Skandal: Daniela Strigl, die ich, wie die meisten, sehr gern mochte, hat nach dem Abgang von Burkhard Spinnen nicht den Vorsitz der Jury bekommen, wie es alle und wohl auch sie selbst, erwartet hatten, sondern Hubert Winkels wurde Vorsitzender. Daraufhin hat sie sich gleich ganz aus der Jury verabschiedet.

Wer war daran Schuld? Ich habe nirgends gelesen, wer überhaupt zuständig für die Jury ist. Wer beruft neue Juroren? Wer bestimmt den Vorsitzenden? Man liest immer ganz ausführlich, wie die Auswahl der Autoren vonstattengeht, aber nie, wie die Jury gewählt wird. Weiß das jemand?



Auf Hubert Winkels sind ja viele schlecht zu sprechen, weil er ein enormer Gschaftlhuber im Literaturbetrieb ist, überall dabei ist, wo es etwas zu sagen gibt und auch noch in einem Interview zugegeben hat, zum lesen käme er nur noch in den immer kürzeren Pausen zwischen seinen Auftritten. Tja. ... Ich mag ihn, finde seine Diskussionsbeiträge meist gut und interessant, und seine (immer ironisch angehauchte) Arroganz charmant. (Ich bin – natürlich - Feministin. Ich bin ja eine Frau, und verstehe nicht, wie irgendeine Frau nicht Anspruch auf dieselben Rechte und Chancen erheben könnte, wie sie Männer haben. Aber Männer, die in vorauseilendem Gehorsam so tun, als seien ihnen ihre Privilegien zuwider, imponieren mir deswegen noch lang nicht- im Gegenteil) (Außerdem gefällt mir die  Nase von Hubert Winkels,  wie beeindruckend schief sie aus dem Gesicht ragt, und dass die Nasenspitze ein eigenständiger Teil seiner Mimik ist und sich mitbewegt, wenn er redet. Sympathien beruhen ja zum großen Teil auf solchen physischen Details,  meist steckt da wohl nicht mehr ergründliches, frühkindliches Zeug dahinter. Ich vertraue zum Beispiel automatisch allen Leuten mit abstehenden Ohren, besonders wenn die Ränder der Ohren fransig sind, glaube ich ihnen alles, auch wider jede gegenteilige Evidenz, warum weiß ich nicht…. )






Russin, sie müsste mir also gefallen. Tut sie auch, tatsächlich haben alle diese Russinnen (oder jedenfalls die, die beim Bachmannpreis lesen) einen melancholischen Humor, der mich an den Wiener Tonfall vom Anfang des vorigen Jahrhunderts erinnert. Tschechow und Schnitzler haben viel gemeinsam, dieser leichte Ton, die Auslassungen, Schlittschuhlaufen auf dünnem Eis. Auch Katharina Poladjan sucht beim Schreiben nach Leichtigkeit, es ist aber moderner bei ihr, Film noir, cool, bloß nichts aussprechen. (Man merkt: sie schriebe gern wie Jazz- und tatsächlich kriegt sie in der Diskussion den Vergleich mit Miles Davis).

Ich habe sie schon vor zwei Monaten in Berlin beim Wettlesen für den Döblinpreis aus demselben Roman lesen hören. (Den Preis hat dann Natscha Wodin gewonnen, deren Stil ich überhaupt nicht mag, ich mag also doch nicht ALLE Russinnen)- und da hat K.P. einen Text vom Anfang des Buches gelesen. Das ist gut für mich, dadurch kenne ich die Figuren schon, heute hat sie nämlich einen späteren Abschnitt vorgelesen, und in der Diskussion fanden einige, der Text sei überladen, weil sie so viel auf einmal über die Figuren aufnehmen mussten- insofern war die Auswahl dieser späteren Stelle  vielleicht nicht ideal.



Die Figuren- und die Story:  Anna, eine Frau in mittleren Jahren, ist in Trauer um ihren vor ein paar Monaten verstorbenen Mann, den sie sehr geliebt hat. Sie begegnet in einem Salzburger Hotel einem Kommissar, der gerade wegen einer Konferenz in der Stadt ist - und die beiden brechen aus, aus dem, was sie tun sollten (Trauerfeier für den toten Mann bzw. Konferenz) fahren weg und verbringen die Nacht miteinander. In der Früh wacht der Kommissar auf, Anna ist weg- und zwar mitsamt seinem Auto. Erzählt wird abwechselnd aus seiner und aus ihrer Perspektive, aber beide sind auch von innen „cool“- obwohl es klar wird, dass die Nacht sehr hot war.  

Schön fand ich, dass am Morgen nach einer solchen  Nacht nicht er weg ist, wie üblich, sondern sie. Nicht nur weg, sie hat sich auch sein Auto genommen. Schön auch, dass K.P. die Situation nicht einfach umdreht, es nicht so konstruiert, als sei die spiegelbildliche Situation psychologisch für eine Frau ebenso normal, wie man sie bei einem Mann empfinden würde. Anna kann sich nicht binden, obwohl ihr der Kommissar gefällt, weil sie noch an ihrem toten Mann hängt- und findet sich dadurch in einer klassischen Konstellation in der Rolle des Mannes wieder.



Mir gefällt es also- aber ich bin auch irritiert. Ich würde mir wünschen, dass es ein Krimi wird. Den würde ich sofort lesen wollen. Ich fürchte aber, dass es kein Krimi ist, dass es außer Annas verstorbenem Ehemann keine weitere Leiche geben wird.

Warum wünsche ich mir, der Text möge zum Krimi werden? Hat wohl mit der Coolness zu tun. Es ist die klassische Coolness der desillusionierten, melancholischen Detektivromane, ist wie bei Chandler, zum Beispiel. Diese Detektive leiden an der Welt und können sich an niemanden binden, solange die Welt so schlecht ist, wie sie ist, aber sie würden darüber niemals ein Wort verlieren. Sie werden es nicht einmal denken, und falls ein Text mich in ihre inneren Monologe hineinlässt, ist da auch nur Coolness und Zynismus. Cool bedeutet: eine Menge Dinge werden nur über die Bande gespielt, aber dazu braucht es eine Bande!! Im Krimi: der Detektiv kämpft ganz ohne Belohnung drum, dass der Böse zur Strecke gebracht wird.. „nur so“. Das ist die Bande. Dadurch weiß ich, dass er sich nach einer besseren Welt sehnt- und solange es die nicht gibt, kann er nicht bürgerlich und sesshaft werden, denn die bürgerlichen Institutionen sind durch und durch korrupt (und die sogenannte Liebe ist eine von ihnen) - das ist die „große Sache“, dargestellt im Mordfall, der einem ansonsten egal sein kann.



(Gut gefallen hat mir auf dieser Linie der Polizeiruf von Christian Petzold, „Kreise“, am vorigen Sonntag. Matthias Brandt und Barbara Auer als desillusionierte mittelalterliche Kommissare. Der Film geht nur um die Liebesgeschichte zwischen den beiden- die die Frau beendet, bevor überhaupt was passiert. Beide sind total cool, nichts wird ausgesprochen, nur Stimmung- die „Bande“ über die sie spielen: die ewigen Kreise, in denen sich der Mittelstand bewegt wie eine Modelleisenbahn, und die den Mörder zum Mörder gemacht haben)



Beim Döblinpreis, wo das Publikum mitdiskutieren durfte, hat ein sehr junger, sehr ernsthafter Jüngling , offenbar ein Kämpfer für die wahre Literatur, nach der Lesung von K.P. empört in die Runde geworfen, dass ihr Text ihm „zu wenig“ sei- und das sagte er sehr wütend, - weil es da ja „um nichts GINGE!“ Das sei vielleicht gut geschrieben und unterhaltsam, aber das hier sei doch ein LITERATURpreis, und bei Literatur müsse es doch um etwas gehen, da wünsche er sich mehr. Und Katherina Poladjan sagte drauf mit einem kleinen sophisticated Lächeln, das verstehe sie, das gehe ihr auch oft so. (Fand ich bezaubernd gemacht, so klein und höflich war das, dass der junge Mann noch nicht einmal verstand, wie herablassend sie war). Ich war also auf ihrer Seite - aber auch gerührt von dem jungen Mann, der noch jung genug war, um eine hohe/ tiefe Bedeutung einzufordern. Er erwartete noch von der Literatur, dass sie ihn gefälligst retten solle aus seinem unerleuchteten Jammertal. Und vielleicht ist es das, vielleicht bin ich, obwohl keineswegs mehr so jung, insgeheim noch genauso.

So jung (und störrisch naiv) wie der junge Mann, oder so altmodisch wie meine Mutter. Sie ist 85, Akademikerin, und liebt die Oxfordkrimis mit Inspector Lewis. Als es keine neuen Folgen mehr gab, habe ich versucht, ihr „Downton Abbey“ als Ersatz schmackhaft zu machen. Bildung, der Untergang des Adels, ironische Behandlung von Klassengegensätzen- gute britische Schauspieler, hätte ja alles gepasst. Aber nach der ersten Folge war sie irritiert, nach der zweiten empört: wo ist der Mord?, fragte sie. Es gibt keinen, musste ich ihr gestehen. -Aber worum geht es dann? – Darum, wie die Leute miteinander umgehen, kleine Intrigen, Liebesgeschichten, Oberschicht versus Unterschicht, genau wie bei den Oxfordkrimis eigentlich. Sie, empört: Aber doch nicht ohne Mord! Na, das ist nix!

(Und jetzt gerade stelle ich fest: im Grunde empfinde ich das bei K.P. genau wie meine Mutter bei „Downton Abbey“- oder wie der junge Mann auf der Lesung. Mir fehlt was!- die Bande)



Aus der Jurydiskussion:

Hubert Winkels: ungefähr so: In der Geschichte werde ihm zu viel erzählt für ein bisschen Sex, das sei „literarischer Missbrauch eines One night stands“. 



Nationale Unterschiede:

Diskutiert wird, ob der Kommissar, der am Ende des Textes statt nach unten ins Tal nach oben auf den Berg fährt, und dort in ein Gewitter gerät, am Ende stirbt. (no way! Bin nicht im Entferntesten auf diese Idee gekommen)

Dazu sagt der (halb) Schweizer Juror Stefan Gmünder: wir Schweizer haben eine Bergliteratur- wenn einer in die Berge geht, dann wartet dort der Tod oder der Wahnsinn oder beides. Meistens beides.



Der neue österreichische Juror, Klaus Kastberger, mag den Text, findet ihn aber ein bisschen brav.  An manchen Stellen hätte es für ihn mehr zur Sache gehen können (ihm gefällt, dass Anne über die Pflanzen am Grab ihres Mannes zum Sohn sagt: „schau Theo, wie schön alles auf deinem Vater wächst!“ Jaha, die Österreicher! Der Satz ist mir auch gleich positiv aufgefallen!)  Darauf antwortet der Schweizer Juror, Juri Steiner : Sex lässt sich schwer beschreiben, da kann man nicht so leicht zur Sache gehen, da wird’s ein bisschen pornografisch und vielleicht ein bisschen mühsam, also ich denke, das Österreichische in Ihnen, war da vielleicht ein bisschen zu schnell, Herr Kastberger, ich als Schweizer lese den Text mehr französisch. “