Es ist 16:00 und heute um 18:00 wird der Deutsche Buchpreis verliehen. Nun muss ich doch noch schnell öffentlich für Frank Witzels Manisch depressiven Teenager die Daumen halten- irgendein merkwürdiger Aberglaube zwingt mich dazu. In gewisser Weise ist das Internet eine Bühne, auf der ich auftreten darf, und so wie man auf der Theaterbühne gewissen Regeln folgen muss: nicht pfeifen, nicht essen, nichts Violettes tragen (außer in der Rolle natürlich), so empfinde ich auch auf dieser Bühne, dass ich ihr einen gewissen abergläubischen Respekt schuldig bin. Dazu gehört das Daumendrücken bei Literaturpreisen- und ein Bemühen um Anstand und Aufrichtigkeit.
Ich habe im letzten Blogeintrag kurz geschimpft- eigentlich nicht über Witzels Buch, sondern über die bis dahin erschienen Kritiken. Bei meinem Versuch herauszufinden, wieso ich beim Lesen oft so allein dastehe mit meinem Reaktionen, bin ich von Witzel weggekommen und bei Nabokov gelandet. Ich hatte bald weiter schreiben wollen, mich aber in meinen Gedankengängen verfitzt- und nun ist schon der Tag der Verleihung da, und über Witzels Buch steht hier auf meiner kleinen Bühne zwar nicht nur Schlechtes, aber auch nicht genug Gutes.
Genaueres werde ich nun erst nach der Preisverleihung schreiben können. Aber von den sechs Büchern der Shortlist ist dieses mein Favorit. Mein eigentlicher Favorit war Clemens Setz, aber "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre" ist auf der Longlist stecken geblieben. Setz und Witzel waren auf dieser Liste die beiden mit der besten Sprache- das finde ich ganz offensichtlich. (Meine Probleme habe ich mit dem Inhalt und mehr noch damit, dass der Inhalt bei Witzel die schmunzelnde, ausweichende, weichgespülte Rezeption erlaubt, die er weitgehend hervorgerufen hat.- später!)
Ich habe keines der anderen fünf Bücher vollständig gelesen- das liegt an der "Stimme" der Autoren. "Stimme" ist etwas sehr schwer zu Definierendes, so dass ich es jetzt auch nicht versuchen will. Klar ist, dass es einer guten Sprache bedarf, damit überhaupt eine Stimme entsteht. Diesmal ist kein Buch dabei, das ich sprachlich nicht okay finde (ganz anders als in anderen Jahren)- aber Witzel hat unter den Shortgelisteten die beste Sprache (und auch da will ich an dieser Stelle nicht über meine Kriterien nachdenken- sollte es aber hier bald einmal tun).
Die "Stimme" von Witzel ist, wie ich schon einmal gewitzelt habe, witzig. Und sie ist mir sympathisch, man liest ja am liebsten Autoren, zu denen man tiefe Affinitäten hat - oder jedenfalls ist das bei mir so. Fremdes interessiert mich nur als Aspekt von Eigenem. In Witzels Stimme höre ich viel mir Ähnliches, ich mag sein Wesen, das durch die Erzählung spricht. Und ich bin betrübt, dass er das Ziel, das er selbst benannt hat, sich aus seinen Schwierigkeiten, seiner "Störung"(Witzel) herauszuschreiben, irgendwann aufgegeben hat. Ich wünsche mir, dass er den Preis bekommt, dass er fanfarenmäßig gesagt bekommt, dass da draußen Leute toll finden, wie er schreibt und es lesen wollen. Dass er es weiter versuchen soll!
In diesem Sinn: TOI TOI TOI für Frank Witzels "ERfindung der RAF durch einen manisch depressiven Teenager im Sommer 1969"! Möge er gewinnen!
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